Interview mit dem BDIU-Präsidiumsmitglied Dr. Christian Behrens
Heute bekommen wir ein paar Einblicke in die Arbeit des BDIU – Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen.
Zusammen mit Herrn Dr. Christian Behrens schauen wir mal etwas hinter die Kulissen. Er verrät uns, wie wichtig diese Zusammenarbeit in der Inkassobranche ist – insbesondere für die Wirtschaft und den Verbraucherschutz.
Hallo Herr Dr. Behrens, ich freue mich sehr, dass wir Sie heute zu unserem kleinen Interview begrüßen dürfen. Bevor wir ins Thema starten, können Sie erst noch ein bisschen über sich erzählen und sich kurz vorstellen?
Hallo, vielen Dank für die Einladung zu unserem heutigen Gespräch. Gern stelle ich mich kurz vor. Mein Name ist Christian Behrens, ich bin 46 Jahre alt, seit 14 Jahren glücklich verheiratet und stamme aus Schleswig-Holstein. Nach dem Zivildienst als Rettungssanitäter ging es zum Jura-Studium nach Heidelberg, Uppsala (Schweden) und Freiburg. In Freiburg wurde ich auch promoviert.
Nach einigen Jahren als Anwalt in großen Wirtschaftskanzleien wollte ich etwas Neues versuchen mit einem Inhouse-Job und stieß im Frühjahr 2012 auf eine sehr interessante Stellenanzeige von „Arvato Financial Solutions“ – das heutige Riverty. Nach sehr angenehmen Bewerbungsgesprächen war schnell klar, dass es für mich nach Baden-Baden gehen würde. Mein damaliger Vorgesetzter versprach mir, dass es nie langweilig werden würde – und da hat er absolut Wort gehalten!
Das kann ich gut verstehen!
Und wie kam es dazu, dass Sie nun Präsidiumsmitglied beim BDIU sind?
2016 fand ein großer Personalwechsel im Präsidium des BDIU statt, im Rahmen dessen auch ein Vertreter unseres Unternehmens gewählt werden sollte. Über den Europaausschuss des BDIU und die Arbeit an einem gemeinsamen großen Projekt im Auftrag der EU hatte ich bereits viele Kontakte dorthin und Freude an den spannenden Aufgaben. Daher musste ich nicht lange zögern, als ich gefragt wurde, ob ich Interesse an einer Bewerbung für das Präsidium hätte.
Mittlerweile bin ich in meiner dritten Amtszeit als BDIU-Präsidiumsmitglied und vor allem für rechtliche Themen zuständig. Zudem bin ich seit 2022 Mitglied im Präsidium unseres europäischen Dachverbands FENCA (Federation of European National Collection Associations) und befasse mich als Schnittstelle zwischen beiden Verbänden insbesondere mit europarechtlichen und -politischen Aufgaben.
Sehr spannend!
Für alle, die den BDIU bisher noch nicht kennen – wofür steht eigentlich die Abkürzung „BDIU“ und welche Ziele verfolgt er?
BDIU steht für „Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V.“. Als solcher vertritt der BDIU die politischen und rechtlichen Interessen seiner Mitglieder. Die Mitglieder des BDIU decken dabei ca. 90 % des deutschen Inkassomarktes ab. Das sind mehr als 400 im Forderungsmanagement tätige Unternehmen mit insgesamt gut 12.000 Mitarbeitenden, die jährlich 33,4 Millionen neu übergebene Forderungen für 500.000 Auftraggeber bearbeiten und so jedes Jahr etwa 5 Milliarden Euro zurück in den Wirtschaftskreislauf führen.
Ok, und wie kann man Mitglied beim BDIU werden?
Und welche Vorteile hat man dadurch?
Um Mitglied des BDIU zu werden, muss ein Inkassounternehmen unter anderem Nachweise seiner Registrierung und Zuverlässigkeit erbringen. Gemeinsam mit der Geschäftsstelle des Verbandes prüfen wir im Präsidium die Unterlagen dann sehr genau und entscheiden über die Aufnahme.
Die Vorteile sind vielfältig: eine professionelle politische Interessenvertretung, Unterstützung in rechtlichen Angelegenheiten, umfangreiche Fortbildungsmöglichkeiten, ein jährlicher virtueller Kongress als Höhepunkt der zahlreichen Vorträge und Seminare sowie der äußerst beliebte Kongress der deutschen Inkassowirtschaft.
Die Mitgliedschaft im BDIU ist ein sehr wichtiges Qualitätssiegel für Inkassodienstleister, das viele Inkassomandanten zur Voraussetzung einer Beauftragung machen.
Gibt es denn aktuelle interessante Themen mit denen sich der BDIU auseinandersetzt?
Vergangenes Jahr hat das Oberlandesgericht Hamburg ein Urteil zum Thema Inkassokosten gefällt. Es hätte erhebliche Konsequenzen für die Vertragsmodelle der gesamten Branche, wenn es aufrecht erhalten bliebe. Aber nicht nur das – es wären auch weitreichende Einschnitte für die wirtschaftliche Lage der Gläubiger zu befürchten. Aktuell liegt das Urteil aber beim Bundesgerichtshof im Rahmen der anhängigen Revision. Riverty wie auch der BDIU verfolgen den Fortgang des Verfahrens sehr genau – und sehen dem Ausgang mit großem Optimismus entgegen.
Welche aktuellen gesetzlichen Änderungen haben denn sonst noch Einfluss auf die Inkassobranche?
Am 01.10.2021 trat das sogenannte VVInkG, das Gesetz zur „Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht“, in Kraft. In diesem Zuge hat der Gesetzgeber anerkannt, dass Inkassodienstleister und Rechtsanwälte im außergerichtlichen Forderungseinzug wie im gerichtlichen Mahnverfahren gleichartige Tätigkeiten erbringen, die daher auch gleich zu behandeln und zu vergüten sind. Dessen ungeachtet werden Inkassodienstleister in manchen Bereichen aber nach wie vor anders behandelt als Rechtsanwälte, ohne dass es hierfür eine überzeugende Begründung gäbe. In diesem Bereich besteht noch Handlungsbedarf. Dafür setzen wir uns zusammen mit dem BDIU weiterhin tatkräftig ein. Der BDIU beteiligt sich konstruktiv und hat dem Bundesjustizministerium schon viele relevante Zahlen, Daten und Fakten geliefert.
Verbraucherschutz ist ein wichtiges Thema.
Welche Maßnahmen ergreift denn der BDIU, um den Verbraucherschutz zu stärken?
Die Mitgliederversammlung des BDIU hat sich im Jahr 2020 einen „Code of Conduct für das Forderungsmanagement“ gegeben, der klare und nachprüfbare Regeln für den Einzug von Forderungen enthält. Ganz nach dem Motto des BDIU „Inkasso heißt Verantwortung“ beantwortet der Code of Conduct Fragen zum Inkasso aus Verbraucherperspektive: Wie entsteht eine Forderung? Wann übergibt ein Gläubiger einen Fall ins Inkasso? Wie prüft das Inkassounternehmen, dass die Forderung berechtigt ist? Welche Kosten entstehen dabei? Wie kann ich als Schuldner mit dem Inkassounternehmen kommunizieren?
Die im Code of Conduct enthaltenen Vorschriften gehen zum Teil deutlich über die Restriktionen, die der Gesetzgeber Inkassounternehmen auferlegt, hinaus. Beispielsweise dürfen nach dem Code BDIU-Mitgliedsunternehmen für Raten- oder Teilzahlungsvereinbarungen, die sich auf weniger als drei zu zahlende Raten beschränken, keine Einigungsvergütung erstattet verlangen.
In Zusammenarbeit von Geschäftsstelle und Präsidium des BDIU wird die Einhaltung des Code of Conduct streng überwacht.
Welche Zukunftsperspektiven können wir erwarten?
Abzuwarten bleibt, wieviel Potenzial zur Effizienz- und Performancesteigerung noch in verstärkter Digitalisierung liegt.
Die fortschreitende Digitalisierung schlägt sich auch in aktuellen Gesetzesvorhaben nieder. Ein Paradebeispiel dafür ist das „Gesetz zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit“. Es ist sehr zu begrüßen, dass so neue digitale Verfahrensabläufe und Plattformlösungen im Zivilprozess geschaffen werden sollen. An diesem legislativen Projekt zeigt sich so in mehrfacher Hinsicht par excellence, dass im deutschen Zivilprozessrecht noch viel Modernisierungsbedarf besteht.
Auch verspricht der Einsatz Künstlicher Intelligenz große Chancen, Gläubigern in naher Zukunft noch besser zu ihren Ansprüchen zu verhelfen.
Der BDIU bereitet sich und seine Mitglieder durch entsprechende Seminare, Schulungen und Vorträge auf die anstehenden Veränderungen vor und ist durch engagierte Experten- und Arbeitsgruppen zu diesen Zukunftsthemen bestens aufgestellt.
Gibt es noch etwas, dass Sie unseren Lesern auf den Weg geben möchten?
Wie in vielen Bereichen des Lebens gibt es auch im Inkassowesen „schwarze Schafe“. Dies sind in der Regel aber gar keine echten Inkassounternehmen. Vielmehr versuchen Betrüger auf diese Weise, Verbraucher mit frei erfundenen Forderungen zu Zahlungen zu bewegen. In erster Linie sollte man bei fragwürdig erscheinenden Inkassoschreiben (z.B. bei vielen Rechtschreibfehlern oder angegebener ausländischer Bankverbindung) prüfen, ob das Unternehmen überhaupt im Rechtsdienstleistungsregister registriert ist. Wenn nein, dann handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen Betrugsversuch. Weitere Tipps finden Sie im Internetauftritt des BDIU unter Mahnung checken | INKASSO.DE.
Vielen Dank Herr Dr. Behrens für die Einblicke, die Sie uns heute gegeben haben!